Rudloff, Leo

Leo von Rudloff OSB

Leo von Rudloff

Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem 1952–1968

* 31. Jan. 1902 Düren
† 17. Aug. 1982 Weston, Vermont, USA

Leo von Rudloff, Taufname Alfred, wurde am 31. Januar 1902 in Düren als jüngstes der sieben Kinder[1] des preußischen Staatsbeamten Otto von Rudloff und seiner Frau Zoë geboren und wuchs im heute polnischen Bromberg (Bydgoszcz) in der Provinz Posen, später in Münster, Westfalen, auf, wo der inzwischen aus dem Staatsdienst ausgeschiedene Vater als Anwalt tätig war. Nach dem Abitur als Chornovize in die Abtei St. Josef in Gerleve (Abt Raphael Molitor) eingetreten, erhielt er bei der Profess 1922 den Ordensnamen Leo und wurde 1923 zum Theologiestudium an das Benediktinerkolleg Sant'Anselmo nach Rom geschickt, um dort zu promovieren und in Gerleve als Theologiedozent eingesetzt werden zu können. 1926 wurde er in Rom zum Priester geweiht und 1928 zum Doktor der Theologie promoviert.[2] Nach Gerleve zurückgekehrt, lehrte er dort Philosophie und Theologie und wurde später Subprior. Aus dieser Zeit stammen auch seine beiden Schriften Das Zeugnis der Väter (1937) und die Kleine Laiendogmatik (1934).

Anfang September 1938 mit seinem Kommilitonen Damasus Winzen in die Vereinigten Staaten geschickt, um dort gemeinsam mit dem Maria Laacher Prior Albert Hammenstede ein Asyl für die von den nationalsozialistischen Klosteraufhebungen bedrohten Maria Laacher und Gerlever Benediktiner vorzubereiten, konnte er wegen des Kriegsausbruchs 1939 und der Aufhebung der Abtei Gerleve durch die Nationalsozialisten 1941 nicht nach Deutschland zurückkehren. Er lernte dort Englisch, erwarb 1944 (notgedrungen[3]) die amerikanische Staatsbürgerschaft und lehrte Philosophie und Theologie am Seminar in Darlington bei Newark, New Jersey. 1942 gründeten die exilierten Mönche in Keyport, New Jersey, das Kloster St. Paul’s Priory mit P. Albert Hammenstede als Prior.[4] Um die Neugründung zu finanzieren, unterrichtete P. Leo am Manhattanville College, gab in verschiedenen Benediktinerklöstern (Männer und Frauen) Exerzitien und tat an den Wochenenden in mehreren Gemeinden New Jerseys als Aushilfspriester Dienst.[5] Daneben war er auch mit Vorträgen in der amerikanischen Liturgischen Bewegung aktiv. Die vielen Auswärtsaktivitäten der Mönche und die häufige Abwesenheit des Priors jedoch ließen ein funktionierendes Gemeinschaftsleben nicht zu. Hinzu kamen Differenzen über die künftige Ausrichtung des Klosters. Zunehmend isoliert und entmutigt, kehrte P. Leo 1946 über die Niederlande[6] nach Gerleve zurück. 1948 reiste er noch einmal zur Auflösung der St. Paul’s Priory nach Keyport zurück.

1949 wurde Rudloff von seinem zum Administrator ernannten Abt Pius Buddenborg[7] als Visitator nach Jerusalem geschickt, um dort die Möglichkeiten einer Rückgewinnung des im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1947/48 verlorengegangenen (und schwer beschädigten) Klosters Mariä Heimgang (Dormitio) zu prüfen (Ernennung zum Prior am 8. Sept. 1949). Mit seiner Geschichte (unbelastet vom Nationalsozialismus), seinen Sprachkenntnissen und seinem amerikanischen Pass war er in der Lage, unmittelbar nach Krieg und Holocaust, mit dem jungen israelischen Staat[8] über eine Rückgabe des Klosters und eine Zukunft der (deutschen!) Mönchsgemeinschaft zu verhandeln (Abt Maurus Kaufmann war 1949 im Exil gestorben).

Im März 1950 kehrten die ersten Mönche zurück, am 28. Mai 1950 konnte Prior Rudloff die Abteikirche rekonziliieren. Am 2. März 1951 wurde die Abtei Mariä Heimgang durch Erlass der Religiosenkongregation unmittelbar dem Abtprimas unterstellt[9] und P. Leo zum Administrator mit allen Rechten und Pflichten eines Konventualpriors ernannt. Nachdem Abtprimas Bernard Kälin die Dormitio-Abtei Ende November 1952 visitiert hatte, wurde Prior Rudloff am 8. Dezember 1952 in Rom als Abt bestätigt. Am 6. Januar 1953 wurde er durch Kardinal Tisserant, Sekretär der Kongregation für die orientalischen Kirchen, in der Kapelle von Sant’Anselmo[10] in Rom benediziert[11] und am 2. Februar 1953 auf dem Sion vom lateinischen Patriarchen Albert Gori feierlich inthronisiert.

In den folgenden Jahren wurden die äußeren Kriegsschäden beseitigt. 1953 gründete Abt Leo zur Nachwuchsgewinnung das Priorat Weston in Vermont, USA; 1954 legte er den Grundstein für den Klosterneubau in Tabgha am See Genesareth. Vergeblich bemühte er sich jahrelang, alle 1948 vertriebenen Mönche wieder in Jerusalem zusammenzubringen. Sein Versuch, den Konvent durch amerikanische Mönche aus Weston zu internationalisieren, stieß bei den alteingesessenen deutschen Benediktinern auf Widerstand. Der Versuch der monastischen Erneuerung der Dormitio war gescheitert. Darüber konnte auch der Besuch Papst Pauls VI. 1964 nicht hinwegtäuschen. Der durch die von Abt Leo erbetene Visitation des belgischen Priors Nikolaus Egender aus Chevetogne, den späteren Abt, entzündete Hoffnungsfunke wurde durch den 1967 ausbrechenden Sechstagekrieg bald wieder gelöscht.

Neben der Sorge um zwei Klöster galt Abt Leos Einsatz besonders der Aussöhnung mit dem Jüdischen Volk. Bei einer Privataudienz im September 1958 trug er dieses Anliegen Papst Johannes XXIII. vor und wurde von ihm 1961, im Zuge der Vorbereitungen auf das Zweite Vatikanische Konzil, in das von Kardinal Augustin Bea SJ geleitete Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen berufen. Abt Leo erhielt die Leitung einer kleinen Unterkommission,[12] die für das Konzil ein Dokument über das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum vorbereiten sollte (Quaestiones de Judaeis). Dieser Text wurde zur Grundlage des vierten Kapitels der Konzilserklärung Nostra Aetate vom 28. Oktober 1965 über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, besonders zum Judentum.

Nach dem israelischen Sechstagekrieg 1967 stand die Zukunft der Abtei wieder einmal in Frage. Die Gebäude waren durch den Krieg stark beschädigt, der gealterten Gemeinschaft fehlte es an Nachwuchs, die Zukunftsaussichten waren unklar. Abt Leo, der seine Kräfte überstrapaziert hatte (zwanzig Jahre war er zwischen Jerusalem und Weston hin und her gependelt), resignierte offiziell am 25. November 1968 und zog sich Anfang 1969 in die 1968 selbständig gewordene Weston Priory in Vermont zurück, wo er – schon länger herzkrank – am 17. August 1982 im Alter von 80 Jahren starb. Nach Jerusalem wurde Laurentius Klein, Abt der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier, als Administrator geschickt, der ebenfalls als ökumenischer Theologe am Konzil beteiligt gewesen war und die Dormitio-Abtei bis 1979 leitete.

Abt Leos Verbundenheit mit Israel blieb auch nach seinem Rücktritt erhalten. Mehrmals reiste er (trotz eines schweren Herzinfarkts 1971) in den folgenden Jahren ins Heilige Land und veröffentlichte mehrere Schriften zum Thema.

gge, Mai 2013, rev. Nov. 2016

  1. Sein älterer Bruder Johannes (1897–1978) war von 1950 bis 1975 Weihbischof in Osnabrück und von 1967 bis 1975 Bischofsvikar in Hamburg.
  2. Seine Dissertation erschien später in Fortsetzungen in Divus Thomas.
  3. Um den Verdacht abzuwenden, ein deutscher Spion zu sein.
  4. Unter der Aufsicht des Abtes Patrick O’Brien von St. Mary’s, Newark/Morristown, da die deutschen Äbte nicht mehr erreichbar waren.
  5. In St. Paul’s selbst wurden die Sonntagsmessen schon Anfang der Vierziger Jahre zur Gemeinde hin („versus populum“) gefeiert.
  6. Weil er die für eine offizielle Einreise nach Deutschland nötigen Papiere nicht hatte.
  7. Das Generalkapitel der Beuroner Kongregation hatte die 1947/48 verlassene Abtei aufgeben wollen.
  8. Und dem Eigentümer, dem Deutschen Verein vom Heiligen Land.
  9. Der Präses der Beuroner Kongregation, Abt Bernhard Durst von Neresheim, hatte auf einer Trennung von der Beuroner Kongregation bestanden.
  10. Die noch immer schwer beschädigte Dormitio war für eine solche aufwendige Zelebration noch nicht geeignet.
  11. Weiheassistenten waren die Äbte Pius Buddenborg von Gerleve und Albert Ohlmeyer von Neuburg.
  12. Weitere Mitglieder waren Johannes Oesterreicher, Gregor Baum OSA und George Tavard AA

D:

Prof.: 22. Feb. 1922; Sac.: 6. Aug. 1926; Abbas: nom. 8. Dez. 1952, ben. 6. Jan. 1953, res. 1969; Dev.: Mansuetudo – Potentia.

A:

Ehrendoktorat der Universität von Vermont (1963).

W:

Des hl. Thomas Lehre von der Formalursache der Einwohnung Gottes in der Seele des Gerechten, in: Divus Thomas Ser. 3, Bd. 8 (Freiburg/Schweiz 1930), S. 175–191 · S. Thomas über die Liebe, in: Divus Thomas Ser. 3, Bd. 11 (Freiburg/Schweiz 1933), S. 345–351 · Kleine Laiendogmatik, Regensburg: Pustet, 1934, ¹⁰1948, übersetzt in mehrere Sprachen. · Das Zeugnis der Väter. Ein Quellenbuch zur Dogmatik. Regensburg 1937. · Taufe und Firmung im byzantinischen Ritus. (Heilige Feiern der Ostkirche 1). Paderborn 1938.

L:

Weißenberger, Paulus: Das benediktinische Mönchtum im 19./20. Jahrhundert (1800-1950), Beuron 1953]] · Hammond, John: A Benedictine Legacy of Peace. The Life of Abbot Leo A. Rudloff. Weston Priory 2005. · Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner 1880–1980. St. Ottilien: EOS, 1985–1987 · Vortrag von Ralph Greis OSB: Über Leben und Arbeit in der Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem.

Normdaten:

GND: 127656839

Zitierempfehlung: Rudloff, Leo, in: Biographia Benedictina (Benedictine Biography), Version vom 11.04.2018, URL: http://www.benediktinerlexikon.de/wiki/Rudloff,_Leo

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