Gislar Stieber
1. Abt der wiedererrichteten Abtei Niederaltaich 1930–1937
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† 19. Jan. 1956 Dillingen
Gislar Stieber, Taufname Michael, wurde am 6. Mai 1891 in Trossenfurt in Unterfranken als Sohn des Landwirtsehepaares Martin (1838–1917) und Barbara Stieber geb. Hanf (1848–1915) geboren. 1902 trat er in die Oblatenschule der Kinderfreund-Benediktiner in Volders in Tirol ein, wurde 1907 – seinem älteren Bruder Chilian Stieber folgend – als Novize im Benediktinerpriorat Innsbruck-Volders eingekleidet und legte am 16. Juli 1908 die zeitliche Profess ab. Er absolvierte mit Auszeichnung das Staatsgymnasium in Hall (Tirol) und studierte dann in Innsbruck Philosophie und Theologie. Am 7. September 1913 weihte ihn Weihbischof Dr. Waitz in Feldkirch zum Priester. Es folgte ein Studium der Philologie (Latein und Griechisch) in Innsbruck; in Brixen legte er die Staatsprüfung als Religionslehrer für Mittelschulen ab.
Während des Ersten Weltkriegs diente er 1915 als „Geistlicher Krankenwärter“ im Reservelazarett Weilerschule in München, 1917 in Augsburg, Straubing, Bamberg und Germersheim. Als Divisionspfarrer der 7. Bayerischen Infanteriedivision erhielt er mehrere Auszeichnungen. Infolge Überanstrengung rang er im Lazarett Germersheim monatelang mit dem Tod.
Schon während der Kriegsjahre und danach studierte er Philologie in München, Frankfurt und Würzburg, wo er 1921 summa cum laude zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Im Kloster war er nacheinander Bibliothekar, Aushilfspater, Religionslehrer, Novizenmeister, Subprior und von 1921 bis 1926 Oberer in Facarehy und Rio Preto in Brasilien. 1926 wurde er Klaustralprior in Volders und zog 1927 auf Anordnung der Ordenskongregation mit seinem Konvent nach Niederaltaich, dessen kleiner Konvent dadurch auf über 80 Mitglieder anwuchs (20 Patres und 60 Brüder).
Am 31. Mai 1930 wurde Prior Stieber fast einstimmig zum ersten Abt nach der Wiedererrichtung des Klosters gewählt. Papst Pius XI. bestätigte die Wahl mit Datum 3. Juni, so dass Stieber am 21. Juni d.J. durch den Abtpräses Placidus Glogger von Augsburg/St. Stephan installiert und am folgenden Tag durch Bischof von Ow-Felldorf feierlich benediziert wurde. Ein Jahr darauf wurde die Abteikirche zur Basilica minor erhoben.
In Niederalteich, das im Zuge der Säkularisation verlassen und erst neun Jahre zuvor von Mettener Mönchen wiederbesiedelt worden war, war Pionierarbeit zu leisten. Die Klostergebäude, zum größten Teil noch in Fremdbesitz, mussten instandgesetzt, den bisherigen Bewohnern anderswo Wohnungen geschaffen werden. Das Seminar wurde ausgebaut und ein neues Schulgebäude für die im Kloster untergebrachte Dorfschule errichtet. Die Lateinschule wurde von zwei auf vier Klassen erweitert, die Betriebsgrundlage der Brauerei durch Ankauf eines Brauereianwesens in Hengersberg verbessert.
Die für die Ankäufe und Baumaßnahmen erforderlichen Summen konnte die wirtschaftlich schwache Abtei aus eigener Kraft nicht leisten, dazu kamen die Auswirkungen der allgemeinen Wirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre. Um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, wurde Abt Gislar von der Ordenskongregation suspendiert und durch den Mettener Abt Corbinian Hofmeister als Administrator ersetzt. Die spirituelle Neuausrichtung des Konvents übernahm P. Emmanuel Heufelder aus der Abtei Schäftlarn.
Der persönlich untadelige Abt Gislar wurde von der Amtsenthebung schwer getroffen, zumal er keine Gelegenheit zur Rechtfertigung erhielt. Nach einem kurzen Aufenthalt im Kloster Disentis in der Schweiz war er einige Jahre Spiritual der Zisterzienserinnen in Oberschönenfeld, wo er 1937 die Nachricht von seiner endgültigen Absetzung erhielt. 1941 übernahm er den Posten des Spirituals und Religionslehrers bei den Franziskanerinnen in Dillingen. Dort war er bis zu seinem Tod 1956 tätig.
Er starb am 19. Januar 1956 im Mutterhaus der Dillinger Franziskanerinnen und wurde am 23. Januar von Abtpräses Sigisbert Mitterer (Schäftlarn) in der Klostergruft in Niederaltaich bestattet.
gge, Sep. 2011, rev. Sep. 2016
D:
Prof.: 16. Juli 1908; Sac.: 7. Sep. 1913; Abbas: el. 31. Mai 1930, ben. 22. Juni 1930.
W:
Varroniana: die griechischen Fremdwörter bei Varro de lingua latina ; Orthographie und Lautlehre derselben ; Index aller bei Varro sich findenden Fremdwörter. Würzburg 1921 (Diss.). · Das Gründungsjahr der niederbayerischen Benediktinerabtei Niederaltaich. StMBO 49 (1931) 103–109.
L:
Heufelder, Emmanuel: Nachruf Abt Gislarius Stieber OSB, in: Die Beiden Türme 1, Heft 2 (1956) 29–33 · Heufelder, Emmanuel: Abt Gislarius Stieber O.S.B. zu dankbarem Gedächtnis: 1891–1956. [Niederalteich], 1956 (22 S.) · Stadtmüller Georg und Bonifaz Pfister: Geschichte der Abtei Niederaltaich 741–1971. Augsburg: Winfried-Werk [in Komm.], 1971, S. 330–332 · Heufelder, Emmanuel: Abt Dr. Gislarius Stieber OSB: zum 100. Geburtstag des 1. Abtes des wiedererstandenen Klosters Niederaltaich am 6. Mai 1991 ; sein Leben und seine Persönlichkeit. 1991 · Biber, Hermann: Gislarius Stieber - Abt von Niederaltaich - Spiritual und Religionslehrer in Dillingen, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen 104 (2003) 494–517.
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