Augustina Glatzel
4. Äbtissin von St. Gabriel, Bertholdstein 1954–1963
* 15. Nov. 1891 Breslau, Schlesien
† 19. Aug. 1963 Bertholdstein, Steiermark
Augustina Glatzel, Taufname Margarete, war die Tochter eines Professors für Naturwissenschaften an der Universität Breslau, ausgebildete Mittelschullehrerin und ehemalige aktive Sportlerin. Über die Quickborn-Bewegung zur monastischen Berufung gekommen, trat sie 1924 unter Äbtissin Benedikta zu Schwarzenberg in die Benediktinerinnenabtei St. Gabriel ein, wurde später Novizenmeisterin und unter Äbtissin Maria Rosa Fritsch Priorin.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Exil in das verwüstete St. Gabriel zurückgekehrt, lag schon während der Krankheitsjahre der Äbtissin Maria Rosa – vor allem seit 1952 – die Leitung der Abtei auf ihren Schultern. Nach Äbtissin Maria Rosas Tod wurde sie am 20. Dezember 1954 unter dem Vorsitz des von Rom dazu delegierten Abtes von Seckau, Benedikt Reetz, zur Äbtissin gewählt und am 21. Januar 1955 von Abt Reetz benediziert.
Sie übernahm eine zahlenmäßig geringere und durch den Weltkrieg erschütterte Kommunität. Daher vor allem auf Stabilität bedacht, brachte sie die Diskussionen um eine Verlegung des Klosters an einen anderen Standort zu einem Ende, die den Konvent schon seit Jahren lange beschäftigt hatten; man blieb in Bertholdstein und passte das Kloster den Erfordernissen der modernen Zeit an. Auch in der Handhabung der in ihren Augen zu eng gesetzten päpstlichen Klausur, in der die Bertholdsteiner Monialen noch immer lebten, ging Äbtissin Augustina neue Wege und führte – gegen römischen Widerstand – erste Lockerungen ein. Ihrer Konventualin und späteren Nachfolgerin Basilia Gürth ermöglichte sie den Besuch der Kunstgewerbeschule in Graz. Sie knüpfte Kontakte zu anderen geistlichen Frauengemeinschaften und nahm seit den späten 1950er-Jahren – auch dies gegen den Widerstand der Religiosenkongregation – an Zusammenkünften der österreichischen Ordensoberinnen teil. Aabgesehen davon verließ sie jedoch kaum das Haus.
Im Konvent setzte sie in den letzten Jahren ihrer Amtszeit eine Diskussion über eine zeitgemäße Anpassung der Regeln und Gebräuche in Gang und begann – lange vor dem Dekret Perfectae Caritatis des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1965 – mit der Zusammenführung der Konvente der Chorfrauen und der Laienschwestern zu einer gemeinsamen Nonnengemeinschaft. Am 25. Februar 1962 legten die Schwestern die feierliche Profess ab. Die sog. Jungfrauenweihe jedoch blieb vorläufig den Chorfrauen vorbehalten; erst zwei Jahre später ging man davon ab und es erhielten 15 Schwestern die Jungfrauenweihe. Am 1. Juli 1963 wurde im Kapitel beschlossen, dass jede Schwester ihre eigene Zelle bekommen sollte; bis dahin hatten die Schwestern in einem gemeinsamen Schlafsaal genächtigt.
Inmitten dieser Neufindungsphase starb Äbtissin Augustina Glatzel plötzlich am 19. August 1963. Ihr folgte als 5. Äbtissin Cäcilia Fischer durch Wahl am 12. September 1963.
gge, März 2017, rev. Mai 2021
D:
Abbatissa: el. 20. Dez. 1954, 21. Jan. 1955.
L:
Wiesflecker, Peter: „…man erwartet von Euch keine Heiligen…“ Struktur und Transformation geistlicher Frauengemeinschaften im 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel der Grazer Karmelitinnen, der Benediktinerinnen von St. Gabriel und der Vorauer Marienschwestern. Dissertation vorgelegt an der Karl-Franzens-Universität Graz, Katholisch-Theologische Fakultät, Institut für Religionswissenschaften, 2014.
Vorlage:Page.name: GLATZEL, Augustina OSB (1891–1963) – Biographia Benedictina