Hertlein, Siegfried

Siegfried Hertlein OSB

Siegfried Hertlein

Abt der Missionsbenediktinerabtei Our Lady Help of the Christians in Ndanda, Tansania, 1976–2001

* 12. März 1931 Schwanfeld, Landkreis Schweinfurt, Unterfranken
08. Juli 2023

Siegfried Hertlein, Taufname Oswald, wurde 1931 als siebtes von acht Kindern in Schwanfeld geboren, wo er auch aufwuchs und die Volksschule besuchte. Schon als Kind war es sein erklärtes Ziel, nach Afrika zu gehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg besuchte er Gymnasium und Internat der Missionsbenediktiner in Münsterschwarzach und Würzburg. 1952 trat er in die Abtei Münsterschwarzach ein und legte ein Jahr später die Ordensgelübde ab. 1958 wurde er zum Priester geweiht. Anschließend studierte er in Münster und Würzburg Missionswissenschaft und wurde 1961 mit einer viel beachteten Arbeit über »Christentum und Mission im Urteil neo-afrikanischer Prosaliteratur« promoviert.

1962 wurde Hertlein als Missionar nach Tansania entsandt. Auf zahlreichen Expeditionen ins Landesinnere machte er sich mit den Sitten und Gebräuchen des Landes vertraut. Ein Jahr lang war er nach dem Erlernen der Landessprache Kiswahili als Kaplan auf dem Makonde-Plateau tätig. 1963 wurde er nach Ndanda zurückgerufen, um am katechetischen Projekt mitzuarbeiten, das für die Veröffentlichung von Katechesebüchern für Kinder verantwortlich war. Zwei weitere Missionare aus Münsterschwarzach arbeiteten eng mit ihm zusammen, Polykarp Uehlein und Sebald Hofbeck. Die gedruckten Bücher wurden nicht nur in Ostafrika, sondern auch in Sambia und Simbabwe verkauft. 1963 übernahm Hertlein eine kleine Außenstation in Nangoo, die etwa 600 Christen hatte. Innerhalb weniger Jahre entwickelte er daraus eine erfolgreiche Pfarrei, bis ihn 1966 eine Typhusinfektion zu einem längeren Heimataufenthalt zwang.

Als Buschmissionar erarbeitete Hertlein zwischen 1967 und 1969 eine grundlegende Studie über den »Aufbau der katholischen Kirche in Tansania«. Mit dem Amt als Prior, das er 1969 übernahm, eröffnete sich ihm ein neues Forschungsfeld: Mit der Arbeit »Wege christlicher Verkündigung« erwarb er sich 1975 an der Würzburger Universität die Lehrbefähigung im Fachbereich Missionswissenschaft. Als er sich im Juni 1976 darauf vorbereitete, als Nachfolger von Erzabt Suso Brechter den Lehrstuhl an der issionswissenschaftliche Fakultät der Universität Münche zu übernehmen, verunglückte Abt-Bischof Viktor Hälg tödlich (23. September 1975). Die Mitglieder des Konvents von Ndanda wählten Hertlein zu ihrem Abt. Der verzichtete auf die Professur und wurde am 4. Februar 1976 zum Abt gewählt.

Unter seiner Leitung wurden neue Missionsstationen in Nordtansania eröffnet, insbesondere in den Bistümern Mbulu und Tanga. Es gelang ihm, europäische Äbte davon zu überzeugen, die Gemeinschaft von Ndanda mit zehn neuen Missionaren zu unterstützen – sechs Brüder und vier Priester. Er verstärkte die Rolle, die verschiedene Werkstätten in Ndanda spielten. Die Ndanda Mission Press erhielt neue Gebäude sowie neue Maschinen. Von großer Bedeutung für die Abtei war die von ihm initiierte Entscheidung, afrikanische Berufungen zu rekrutieren und auszubilden.

1996 initiierte Abt Siegfried ein Großprojekt: In Eigenleistung bauten die Afrikaner eine Wasserleitung, die 12.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgt. Das Material stellte das Kloster, Abt Siegfried warb um Spenden, um die Kosten von insgesamt 240.000 Mark decken zu können. Schwere Durchfallerkrankungen sind seither um mehr als 50 Prozent zurückgegangen.

Gestiegen ist der Anteil der Christen in der Gemeinde, die Abt Hertlein neben seinen sonstigen Pflichten noch betreute. Anfangs gab es dort zehn Prozent Christen, heute sind es 40 Prozent. Ein Grund für diesen Zuwachs ist, dass Hertlein dort neue Tauf-, Ehe- und Begräbnisriten versuchte, die Rücksicht nahmen auf afrikanische Traditionen.

Zum 3. November 2001 gab Hertlein aus gesundheitlichen Gründen die Leitung der Abtei ab. Nach einer Ruhepause war er weiterhin in Ndanda tätig und arbeitete im Archiv der Abtei. Zusammen mit Abt Joel von Newton veröffentlichte er eine vierbändige Geschichte der Abtei Ndanda und sammelte mit seiner Familie, Freunden und Wohltätern Spenden zur Unterstützung des Missionskrankenhauses Ndanda.

Er starb am 8. Juli 2023 in Ndanda und wurde am 14. Juli auf dem Klosterfriedhof der Abtei Ndanda beerdigt.

gge, rev. Aug. 2023


D:

Vest.: 1952; Prof.: 12. Sep. 1953; Sac.: 6. Juli 1958; Abbas: el. 4. Feb. 1976, ben. 7. Feb. 1976, res. 3. Nov. 2001; Dev.: Alter alterius onera portate – Einer trage des anderen Last.

W:

Ndanda Abbey, Part I, Beginning and Development up to 1932. St. Ottilien: EOS, 2008. ISBN 978-3-8306-7348-4 · Ndanda Abbey, Part II. The Church Takes Root in Difficult Times 1932–1952. St. Ottilien: EOS, 2011. ISBN 978-3-8306-7451-1 · Ndanda Abbey, Part III. From Mission to Local Church 1950–1972. St. Ottilien: EOS, 2017. ISBN 978-3-8306-7837-3 · Ndanda Abbey, Part IV. The Abbey’s Life with the African Diocese 1973–2001. St. Ottilien: EOS, 2019. ISBN 978-3-8306-7976-9.

L:

Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner 1880–1980. St. Ottilien: EOS, 1985–1987 Nachruf.


Zitierempfehlung: Hertlein, Siegfried, in: Biographia Benedictina (Benedictine Biography), Version vom 15.08.2023, URL: http://www.benediktinerlexikon.de/wiki/Hertlein,_Siegfried

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