Netzhammer, Raymund

Raymund Netzhammer
Foto: Stiftsarchiv Einsiedeln

Raymund Netzhammer

Benediktiner der Abtei Einsiedeln; Bischof von Bukarest 1905–1924, Titularerzbischof von Anazarbus

* 19. Jan. 1862 Klettgau-Erzingen, Kr. Waldshut, Baden-Württemberg
† 18. Sep. 1945 Insel Werd bei Stein am Rhein, Thurgau, Schweiz

Raymund Netzhammer, Taufname Albin, geboren am 19. Januar 1862 als Sohn des Landwirts Josef Netzhammer und der Brigitta Stoll in Erzingen, Baden, besuchte die höhere Bürgerschule in Waldshut und seit 1876 das Stiftsgymnasium Einsiedeln. 1880 trat er in die Abtei ein, legte am 8. September 1881 die Profess ab und wurde am 5. September 1886 in Chur zum Priester geweiht.

Von 1887 bis 1900 lehrte er, mit einem Jahr Unterbrechung, Mathematik, Physik und Chemie an der Stiftsschule Einsiedeln, war von 1893 bis 1894 Vikar in Montreux und von 1894 bis 1895 auch Vizestatthalter des Stiftes. Von 1900 bis 1902 lehrte er an der Theol. Akademie in Bukarest, wo ihn Erzbischof Hornstein am 27. Oktober zum Superior und Ökonomen seines Priesterseminars und am 20. Dezember 1900 zum Ehrendomherm ernannte. 1902 nach Einsiedeln zurückgekehrt, ging Netzhammer im Herbst 1903 als Cellerar und Professor an die Benediktinerhochschule Sant’Anselmo nach Rom. 1904 wurde er Rektor des Collegium Graecum. Am 16. September 1905 ernannte ihn Papst Pius X. zum lateinischen Bischof von Bukarest mit dem persönlichen Titel eines Erzbischofs. Die Bischofsweihe empfing Netzhammer am 5. November 1905 in St. Anselmo durch Kardinal Gotti.

Als Erzbischof in schwieriger multiethnischer Umgebung (Rumänen, Ungarn, Deutsche) leitete Netzhammer eine Reorganisation der überschuldeten Diözese ein. Er ordnete die Finanzen und entwickelte eine rege Bautätigkeit: Bau der rumänisch-unierten Basiliuskirche 1909, des Vereinshauses Tomis mit angeschlossenem Gymnasium 1912, des Knabenkonviktes St. Andreas 1914. 1912 gründete er die Zeitschrift Revista catolica, die 1916 wegen des Krieges ihr Erscheinen einstellen musste.

Erzbischof Raymund unterhielt enge Beziehungen zum rumänischen Ministerpräsidenten Sturdza und dem deutschstämmigen Königshaus. Während des Ersten Weltkriegs geriet er zwischen die Fronten der den Mittelmächten gewogenen Kreise und der ententefreundlichen nationalen Bewegung. Den Kriegseintritt Rumäniens konnte er nicht verhindern. Als nach 1916 die meisten katholischen Priester inhaftiert und die kirchlichen Einrichtungen geschlossen waren, intervenierte er mehrmals beim deutschen Oberkommandierenden Generalfeldmarschall Mackensen, mit dem er ein freundschaftliches Verhältnis unterhielt.

Als "deutscher" Erzbischof in Rumänien nach Kriegsende in schwieriger Lage und durch einflussreiche Kreise in Rom denunziert, forderte ihn Papst Pius XI. 1924 zum Rücktritt auf. Zum Titularerzbischof von Anazarbos in Kleinasien ernannt, resignierte Netzhammer am 3. Juli 1924 und kehrte zwei Wochen später nach Einsiedeln zurück. Vergeblich versuchte er sich in Rom vor dem Kardinalskollegium zu rechtfertigen. 1927 nahm er seinen Altersruhesitz auf der dem Stift Einsiedeln gehörenden Rheininsel Werd bei Eschenz, wo er sich seinen archäologischen und numismatischen Forschungen widmete und an der Veröffentlichung seines Tagebuchs arbeitete.

Erzbischof Netzhammer starb am 18. September 1945.

gge, Sep. 2011


Q:

NDB 19, 90–92, HLS 2009, Professbuch Einsiedeln.

W:

Lehrbuch der ebenen und sphärischen Trigonometrie, 1889 · Theophrastus Paracelsus, Einsiedeln 1901 · Der Bau der rumänisch-unierten Kirche in Bukarest, Einsiedeln-Köln 1910 · Die christlichen Altertümer der Dobrudscha, Bukarest 1923 · Die Insel Werd, 1931, ²1934.

L:

Netzhammer, Nikolaus: Bischof in Rumänien : im Spannungsfeld zwischen Staat und Vatikan. München : Südostdt. Kulturwerk, 1995 (Tagebücher, 2 Bände). · Matt-Willmatt, Hubert: Netzhammer, Raymund (Albin), O.S.B. Erzbischof von Bukarest. In: Badische Biographien. N.F. 3 (1990) 194–195.

A:

Großoffizier des Ordens der Krone Rumäniens (1912) · Großkreuz des Franz-Joseph-Ordens (1918) · Päpstl. Hausprälat und Thronassistent, röm. Graf (1925) · Ehrenbürger von Erzingen 81932).

Normdaten:

GND: 119365030

Zitierempfehlung: Netzhammer, Raymund, in: Biographia Benedictina (Benedictine Biography), Version vom 16.10.2019, URL: http://www.benediktinerlexikon.de/wiki/Netzhammer,_Raymund

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