Pappalettere, Simplicio

Simplicio Pappalettere

Simplicio Pappalettere

Abt von St. Paul vor den Mauern 1853–1858 und Abtordinarius von Montecassino 1858–1863, Großprior der Basilika St. Nicola in Bari 1876–1883

* 7. Feb. 1815 Barletta
† 8. Mai 1883 Bari

Simplicio Pappalettere, Taufname Giuseppe, wurde 1915 in der italienischen Hafenstadt Barletta in Apulien als zweites Kind von Ettore Pappalettere und Aurora Palmieri geboren. Die Patrizierfamilie war seit dem 11. Jahrhundert im Königreich Neapel und seit dem 14. Jahrhundert in Barletta ansässig. Zur Schulausbildung in die Benediktinerabtei Montecassino geschickt, trat Giuseppe dort in das Noviziat ein und legte am 10. Februar 1836 als fra Simplicio seine feierliche Profess ab. Nach dem Studium und der Priesterweihe lehrte er Philosophie am Abteikolleg. Dort freundete er sich mit dem Studenten Silvio Spaventa und dem Lehrer Luigi Tosti an, mit denen er einen anonymen Brief an den König von Neapel schrieb, um die Anerkennung der liberalen spanischen „Verfassung von Cádiz“ zu fordern. 1844 war er an den Vorbereitungen der italienischen Universitätszeitschrift beteiligt, die Tosti mit angesehenen katholischen Patrioten wie Vincenzo Gioberti, Silvio Pellico, Alessandro Manzoni, Cesare Cantù und Antonio Rosmini begründen wollte.

Vom Kapitel der Cassinenser Mönche wurde er 1846 neben Abt Giuseppe Frisari zum Titularprior ernannt. Nach der Wahl Papst Pius’ IX. 1846 arbeitete er wieder mit Tosti an dem Band Storia della Lega Lombarda zusammen, der im März 1848 erschien. Nach den revolutionären Ereignissen von 1848 wurde er überwacht, im Dezember 1849 verhaftet und zwei Monate lang zusammen mit seinem Bruder Michele Pappalettere OSB, dem Leiter der Druckerei von Montecassino, in Neapel inhaftiert, da einige Werke gedruckt worden waren, die von den Sicherheitsbehörden des Königreichs Neapel-Sizilien als subversiv eingestuft wurden. Nach seiner – durch die Anwesenheit Papst Pius’ IX. im Königreich Neapel begünstigten – Freilassung ging er aus Angst vor weiteren Einschränkungen seiner Freiheit nach Rom. 1852 wurde er vom Generalkapitel der Benediktinerkongregation von Montecassino zum Abtkanzler mit Sitz in Subiaco gewählt und im folgenden Jahr von Pius IX. als Nachfolger des späteren Kardinals Mariano Falcinelli zum Abt des Klosters St. Paul vor den Mauern in Rom ernannt, wo er sich der von Pietro Casaretto vorgeschlagenen Ordensreform widersetzte, die Zahl der Ordensleute erhöhte und das Studium der Novizen förderte[1]. Er kümmerte sich am 10. Dezember 1854 um die Einrichtung des teilweise von den Franzosen besetzten Palastes von San Callisto (vor allem die Bibliothek) und die feierliche Einweihung der nach dem Brand von 1823 neuerbauten Paulusbasilika durch Papst Papst Pius IX. 1856 wurde er zum Konsultor der Indexkongregation bestellt.

Im April 1858 vom Generalkapitel zum Abtordinarius des Klosters Montecassino gewählt, wurde er dort bei seinem Einzug am 15. Juni von der Bevölkerung von San Germano, dem heutigen Cassino, jubelnd empfangen. Im Zuge der nach der Einigung Italiens und der für die päpstlichen Truppen verlorenen Schlacht von Castelfidardo entstandenen tiefen Kluft zwischen dem jungen Königreich und dem Heiligen Stuhl, trat Pappalettere zusammen mit Luigi Tosti in Kontakt zu den höchsten staatlichen Behörden, mit deren Repräsentanten sie teilweise schon vor der Proklamation in Verbindung gestanden hatten. Ende 1860 trafen sie in Neapel den Generalstatthalter in den neapolitanischen Provinzen Luigi Farini, einen engen Mitarbeiter Cavours, im März 1861 den Fürsten Eugenio von Savoyen-Carignano, einerseits um den infolge der Mancini-Gesetze befürchteten Untergang der Abtei Montecassino abzuwenden, andererseits um Staat und Kirche wieder miteinander zu versöhnen. Im ersten Anliegen hatten sie Erfolg, einige Bürger von San Germano forderten sogar, die Stadt zum Bischofssitz zu erheben, jedoch kam die Einigung zwischen Staat und Kirche nicht zustande. Gleichzeitig tat Pappalettere alles, um die Bevölkerung von San Germano und dem Umland vor den immer noch wirksamen bourbonischen Rebellen (briganti) zu schützen. Dank seiner Kontakte zu den Behörden konnte ein Bezirksgericht eingerichtet werden. Die Einrichtung einer Präfektur in San Germano kam jedoch nicht zustande.

Zweimal wandte sich Pappalettere 1861 brieflich an König Vittorio Emmanuele und schickte ihm auch ein Huldigungsschreiben, das hätte privat bleiben sollen, jedoch am 2. Juni 1862 in der florentinischen Zeitung La Nazione veröffentlicht und in den folgenden Tagen von anderen Zeitungen aufgegriffen wurde. Die Veröffentlichung erregte großes Aufsehen in politischen und kirchlichen Kreisen in Rom. Auch die cassinensische Kongregation sah sich genötigt, den Brief öffentlich zu relativieren und erwog Pappaletteres Abberufung. Der bekräftigte den privaten Charakter seines Briefes und erklärte seine Bereitschaft zum Rücktritt. Noch im Juni 1862 überreichte ihm die italienische Regierung das Ritterkreuz des Orden der Hl. Mauritius und Lazarus.

Der Skandal verschwand zwar aus der öffentlichen Wahrnehmung, nicht aber aus dem Gedächtnis der starr anti-italienischen kirchlichen Hierarchie. Als Abt Pappalettere auf der Rückreise von Turin, wo er sich am 19. und 20. März 1863 zweimal mit dem italienischen Justizminister Giuseppe Pisanelli getroffen hatte[2], nach Rom kam, unterzeichnete er unter dem Druck des Kardinalstaatssekretärs Giacomo Antonelli am 25. Mai 1863 seinen Rücktritt als Abt von Montecassino (Nachfolger: Carlo Maria de Vera).[3] Papst Pius, der ihn am 29. Mai 1863 persönlich in Audienz empfing, verbot ihm außerdem die Rückkehr nach Montecassino und befahl ihm, in Rom zu bleiben. Trotz wiederholter Eingaben in den nächsten fünf Jahren blieb Pius IX. bei seiner Entscheidung.

Im Gehorsam gegenüber dem Papst blieb Pappalettere in Rom, wo er seine Verbindungen zu den Umgebungen des katholischen Transigentismus der Kardinäle Gustav Adolf von Hohenlohe-Schillingsfürst und Camillo Di Pietro verstärkte, seine Tätigkeit als Berater der Indexkongregation wieder aufnahm und den Schriftverkehr mit Vertretern der italienischen Regierung pflegte (1865 traf er Saverio Francesco Vegezzi und Giovanni Lanza). In der Überzeugung, dass die Kirche die Aufgabe hatte, den sich abzeichnenden sozialen Wandel zu befruchten, bemühte er sich 1866 um mehr Handlungsfreiheit und drängte auf eine Rückkehr nach Montecassino. Obwohl er sich des Vertrauens Pius’ IX. sicher war, musste er noch bis 1869 warten, bis er in sein Kloster zurückkehren konnte. Dort nahm er seine Kontakte zur liberalen Rechten wieder auf, traf sich mit Raffaele De Cesare und Antonio Starabba Di Rudinì, den damaligen Präfekten von Neapel.

1877 genehmigte Papst Pius die von Minister Silvio Spaventa der Regierung Minghetti vorgeschlagene Ernennung Pappaletteres zum Prälaten des Großpriorats von San Nicola in Bari. Nachdem er seine Stelle im Mai 1877 angetreten hatte, kümmerte sich Pappalettere um die Ausschmückung des Kapitelsaals und versuchte, dem moralischen Verfall des Stadtklerus entgegenzuwirken, stieß dabei aber trotz Unterstützung des Vatikans bald auf den Widerstand des Diözesanbischofs. Er unterstützte die Bestrebungen zur Überwindung der Bulle Non Expedit von 1874 bei Papst Leo XIII. und verhandelte 1880 mit dem Justizminister Tommaso Villa erfolgreich die Ernennung seines alten Freundes Alfonso Capecelatro zum Erzbischof von Capua.

Er starb am 8. Mai 1883 in Bari.

gge, Sep. 2011, rev. Okt. 2019

  1. Darunter mehrere Deutsche, wie die Brüder Placidus und Maurus Wolter, Anselmo Nickes und Bonifacio Oslaender.
  2. Bei dieser Gelegenheit setzte er sich u.a. für die Rückkehr des Kardinals Filippo De Angelis aus dem Exil in Turin in seine Erzbischofsstadt Fermo ein.
  3. Nach Ciampani stimmte er dem Rücktritt erst nach der päpstlichen Audienz, zwischen Mai und Juni 1863 mit dem Kardinalstaatssekretär Giacomo Antonelli zu.

D:

Prof.: 10. Feb. 1836; Abbas: 1852, res. 25. Mai 1863.

L:

Leccisotti, Tommaso: Pio IX e il'caso' dell'Abbate Pappalettere (1860–1863), in: Pio IX 4 (1975) 204–279 · De Angelis-Curtis, Gaetano: Don Simplicio Pappalettere e le dimissioni da abate, in Studi Cassinati, XIII (2013), 1–2, S. 96–103 · Ciampani, Andrea: Pappalettere, Simplicio, in: Dizionario Biografico degli Italiani. Band 81 (2014) · Dizionario storico-blasonico delle famiglie nobili e notabili italiane : estinte e fiorenti. Pisa: Giornale Araldico, 1886–1890.


Zitierempfehlung: Pappalettere, Simplicio, in: Biographia Benedictina (Benedictine Biography), Version vom 15.03.2020, URL: http://www.benediktinerlexikon.de/wiki/Pappalettere,_Simplicio

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