Prokop, Dominik

Dominik Prokop OSB

Dominik Prokop

59. Abt von Břevnov-Braunau (1926–1939) und 1. Abt von Braunau (1926–1969), seit 1946 in Rohr

* 6. Aug. 1890 Ottendorf [Otovice, Tschechien]
† 6. April 1970 Rohr, Niederbayern

Dominik Prokop, Taufname Karl, besuchte das Gymnasium im böhmischen Braunau. Nach dem Abitur 1910 trat er in das Doppelkloster Břevnov-Braunau (zwei Konvente unter einem Abt) ein und erhielt den Ordensnamen Dominikus. 1911 legte er Profess ab, studierte Theologie an der deutschen Universität Prag und wurde am 4. Juli 1915 zum Priester geweiht. Es folgte ein Lehramtsstudium und 1919 die Promotion zum Dr. phil.. Ab 1920 unterrichtete er Deutsch und Tschechisch an der klostereigenen Schule.

Der dynamische Geistliche war bei Schülern und im Lehrerkollegium gleichermaßen beliebt und fühlte sich dem sozialreformerischen Idealismus der Jugendbewegung verbunden. Die 1917 entstandene Gemeinschaft »Quickborn« förderte er besonders. Bald gehörte er der geistlichen Leitung in Böhmen an. Im Verbandskatholizismus allseits geschätzt, übernahm er schließlich 1926 den Vorsitz im »Volksbund deutscher Katholiken in der Tschechoslowakei«. Enge Kontakte pflegte er zum Quickborn-Mentor Romano Guardini (1885–1968). Dessen programmatische Schrift »Vom Geist der Liturgie« weckte sein Interesse an der aufblühenden Liturgischen Bewegung, deren sudetendeutscher Hauptvertreter er wurde. Mit dem Augustinerchorherrn P. Pius Parsch (1884–1954), den Benediktinern Abt Ildefons Herwegen (1874-1946) und P. Odo Casel (1886–1948) und anderen Vertretern der liturgischen Erneuerung stand er in regem Austausch. Selbst veröffentlichte er verschiedene Schriften, etwa über den Aufbau der Hl. Messe oder zum Kirchenjahr.

Im Dezember 1926 wählte der Konvent den erst 36-Jährigen zum 59. Abt von Břevnov-Braunau. Prokop brachte für die Übernahme dieses Amtes in der politisch angespannten Lage der 1920er Jahre wichtige Voraussetzungen mit. Väterlicherseits hatte er tschechische Ahnen, und beherrschte die Sprache fließend. Spirituell – und damit für Rom bedeutsam – gehörte er zu den Reformern, die das Kloster zu monastischem Leben zurückführen wollten. Seit Kaiser Joseph II. (1741–1790) wirkten viele Ordensleute in Schule und Pfarrseelsorge, sodass der klösterliche Alltag, Chorgebet und Gemeinschaft, stark darunter litten. Im Umgang mit Mitbrüdern war er verständnisvoll, entgegenkommend und einfühlsam, verfolgte sein Konzept der Erneuerung aber konsequent. Zur Unterstützung erbat und erhielt er Mönche aus Grüssau in Schlesien und Engelberg in der Schweiz. Sein vielfältiges, von tiefer Spiritualität getragenes Engagement machte ihn weit über die Grenzen des Klosters hinaus bekannt. So war er nach dem Tod des Bischofs Josef Groß (1866–1931) auch als Nachfolger in Leitmeritz im Gespräch.

Den Nationalitätenkonflikt erlebte und erlitt Abt Dominikus in voller Härte. Nach Ende des Ersten Weltkriegs entwickelten sich erste Spannungen zwischen den Mitbrüdern. Da deutschsprachige Priester auch tschechische Gläubige seelsorglich betreuen sollten, schickte er Studenten vorwiegend an die tschechische »Univerzita Karlova« in Prag und nicht an die deutschsprachige »Karl-Ferdinands-Universität«. Mit Anschluss des Sudetenlandes und damit Braunaus 1938 an das Deutsche Reich lagen seine beiden Konvente plötzlich in verschiedenen Staaten. Was die tschechische Regierung schon länger gefordert hatte, musste nun gezwungenermaßen umgesetzt werden – eine Spaltung der Gemeinschaft in zwei unabhängige Klöster. Dominikus Prokop blieb Abt von Braunau, P. Anastáz Opasek (1913–1999) wurde zum Prior von Břevnov ernannt und 1947 zum Abt gewählt. Im Dritten Reich inhaftierte das Regime zwei Mönche im KZ Dachau, mehrere ertrugen Untersuchungshaft der Gestapo zwischen zwei Monaten und einem Jahr.

Am 19. Mai 1945 verfügte der tschechische Staatspräsident Eduard Beneš (1884–1948) per Dekret die Vertreibung der deutschen Bevölkerung und Aberkennung ihrer Staatsbürgerschaft. In der Region genossen Abt und Konvent allerdings weiterhin hohes Ansehen. Der Volksausschuss des Bezirks empfahl eine frühzeitige Ausreise, um die Unannehmlichkeiten zu mildern. Am 27. November verließen zunächst Prokop, vier Patres, ein Bruder sowie zahlreiche Angehörige die alte Heimat, die anderen Mitbrüder folgten 1946. Eine erste Unterkunft fanden sie in der Benediktinerabtei Metten unter Abt Corbinian Hofmeister (1891–1966), selbst Böhme und Häftling in Dachau, bevor sie 1946 das ehemalige Augustinerchorherrenstift Rohr in Niederbayern neu besiedeln konnten. Die Mönche übernahmen die Seelsorge im Ort und in der Umgebung, sanierten die Klostergebäude und errichteten 1947 ein Gymnasium mit angeschlossenem Internat. Gehörten dem Konvent 1947 29 Mitglieder an, so wuchs die Zahl bis 1973 unter seinem Nachfolger Virgil Kinzel (1910-1998) auf 38.

Dominikus Prokop engagierte sich sehr für seine Landsleute in den Vertriebenenorganisationen, darunter der Ackermann-Gemeinde. Zugleich setzte er sich schon früh für eine Verständigung und einen friedlichen Ausgleich zwischen Tschechen und Deutschen ein. Auf seine Initiative hin tagten in Rohr 1955 das sudentendeutsche Priesterhilfswerk unter Leitung des späteren Weihbischofs Adolf Kindermann (1899–1974), 1960 die Cyrill- und Method-Liga und die Christliche Akademie der Exiltschechen sowie 1961 der Flüchtlingsrat der Bundesrepublik Deutschland. Regelmäßig veranstaltete er Einkehrtage für Vertriebene. Seine Erinnerungen vertraute er einem Tagebuch an, das nach seinem Tode in Auszügen veröffentlicht wurde. Zahlreiche Ehrungen zeigen das große Ansehen, das der Abt genoss. 1959 verlieh ihm der Bundespräsident das Bundesverdienstkreuz I. Klasse, später benannte die Gemeinde Rohr den Klosterplatz nach ihm. Ebenfalls 1959 dankte ihm die KDStV Ferdinandea im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) seine großen Verdienste um die sudentendeutschen Akademiker mit der Verleihung ihrer Ehrenmitgliedschaft.

Der 59. Abt von Břevnov-Braunau und 1. Abt von Braunau legte am 21. März 1969, dem Fest des hl. Benedikt und dem äbtlichen Weihetag von 1927, sein Amt nieder und starb tief betrauert am 6. April 1970 in Rohr.

Würdigung

Dominikus Prokop zählt zu jenen Persönlichkeiten, die auf Grund der wechselvollen europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu Unrecht weitgehend vergessen sind. In der Habsburger-Monarchie aufgewachsen und in das Benediktinerkloster Braunau eingetreten, musste der Abt seine Mönche durch die Wirren einer turbulenten Zeit führen. Der Angehörige der deutschen Minderheit erlebte in der Tschechoslowakischen Republik bereits erste Folgen des ausufernden Nationalismus. Ungleich schlimmer traf ihn dann die Zeit des Dritten Reichs, in der mehrere Mitbrüder in KZ- oder Gestapo-Haft kamen.

Nach der russischen Besetzung seiner Heimat 1945 und der Vertreibung durch tschechische Kommunisten widmete er sich in Deutschland unter schwierigen Bedingungen erfolgreich dem Auf- und Ausbau seiner klösterlichen Gemeinschaft. Prokop gehörte in den 20er und 30er Jahren ebenso zu den Wegbereitern einer modernen Jugendseelsorge wie zu den Erneuerern der kirchlichen Liturgie. Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte er sich maßgeblich um heimatvertriebene Landsleute. In Rohr errichtete er ein Gymnasium und Internat, um jungen Menschen eine Perspektive für die Zukunft zu geben. Hoch geachtet starb er nach einem langen und erfüllten Leben im 80. Lebensjahr.

Winfried Schwab, Jan. 2022


D:

Prof.: 5. Okt. 1911; Sac.: 4. Juli 1915; Abbas: el. 15. Dez. 1926, ben. 21. März 1927, res. 21. März 1969.

W:

Friedrich Schlegel. Vorlesungen über die neuere Geschichte, gehalten zu Wien im Jahre 1810 (Diss.), 1919 · Über Nationalismus, in: Quickborn 15 (1927/28), S. 23-25; Benediktinisches Leben in Böhmen, Mähren und Schlesien, Hrsg., Warnsdorf 1929 · Benedikt von Nursia und sein Orden, S. 7–10; Monte Cassino, S. 11–17; Geschichte der Abtei Brevnov-Braunau, S. 27–35; Direktor P. Vinzenz Maiwald. Eine Würdigung, Braunau 1932; Die liturgische Bewegung, in: Heinrich Donat (Hrsg.), Die deutschen Katholiken in der Tschechoslowakischen Republik. Eine Sammlung von Beiträgen zur geistigen und religiösen Lage des Katholizismus und des Deutschtums, Warnsdorf 1934, S. 215–217 · Neues Leben. Ein kleines Büchlein über die geistigen Übungen (Im Dienste der Katholischen Aktion 4), Lobnig 1935 · Lobet den Herrn. Büchlein für den gemeinsamen Gottesdienst, Klosterneuburg 1935 [Vorwort]; Der Aufbau der Hl. Messe, Braunau 1937 · Das Kirchenjahr, Braunau 1937 · Bibellesung und Bibelstunden. Ein Hilfsbüchlein, Lobnig 1938 [Vorwort] · Christkoenigs-Feier, Braunau 1938 · Michael-Feier, Braunau 1938 · Von Braunau in Böhmen nach Rohr in Bayern, BM 30 (1954), S. 167–169 · Die Benediktiner in der Vertreibung, in: Emmanuel Heufelder (Hrsg.), 1000 Jahre St. Gunther. Festschrift zum Jahre 1955, Köln 1955, S. 72–81 · Adalbert von Prag. Bischof, Apostel und Märtyrer, Benediktinische Monatsschrift (BM) 32 (1956), S. 357–366 · Aufstieg einer amerikanischen Benediktinerabtei. Ein Beitrag zum hundertjährigen Jubiläum der Abtei St. John’s im Jahre 1956, BM 33 (1957), S. 213–219 · Der unbekannte Osten, in: BM 33 (1957), S. 142f · Neuer Anfang, in: Erbe verpflichtet. Festschrift Rohr 1958, S. 10–15 · Die Muttergottes im Braunauer Land, in: Riesengebirgs-Jahrbuch, Kempten 1966, S. 29–31 · ‚s Tilstermannla. Sagen und Geschichten aus dem Braunschen, in: Braunauer Heimatkalender 34 (1989), S. 121–122 · Hrsg. von und zahlreiche Beiträge in: Braunauer Rundbrief. Mitteilungsblatt - nicht nur für die heimatvertriebenen Bewohner des Braunauer Ländchens in Nordostböhmen/Sudeten, 1945 ff.

Q:

50 Jahre Benediktiner-Abtei Braunau in Rohr. Aus dem Tagebuch von Abt Dominik Prokop OSB, ausgewählt und übertragen von Gregor| Zippel, Rohr 1995 · Rohr, Archiv der Abtei Braunau in Rohr · Rom, Archivio Primaziale di S. Anselmo, Cassetta Rohr: Dominik Prokop, Zur Geschichte der Benediktinerabtei Braunau in Rohr und ihres Abtes, Additum zum Resignationsgesuch (Rohr/Ndb. 1968), Resignationsgesuch des Abtes Dominik Prokop; Relationen des Abt Primas und Rescripte der Religiosenkongregation · Heidelberg, Archiv der KDStV Ferdinandea-Prag, Bamberg zu Heidelberg.

L:

Dr. Dominik Prokop, Professor für deutsche Sprache am Braunauer Gymnasium, wurde am 13. Dezember zum Abte der Stifte Braunau und Břevnov gewählt, in: Ostböhmische Heimat 2 (1927), S. 56–58 · Hemmerle, Josef: Rohr, in: Bayerische Benediktinerakademie (Hrsg.), Die Benediktinerklöster in Bayern (Germania Benedictina 2), Augsburg 1970, S. 264–265 · Meissner, Erhard: Die Benediktinerabtei St. Wenzel und das Vikariat Braunau (1938–1948), in: Bohemia 16 (1975), S. 313–356 · Menzel, Beda: Schicksale der Abtei Braunau in Rohr unter der Regierung des Abtes Dr. Dominik Prokop (1926–1969) und deren Wirkungen, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige StMBO 90 (1979), S. 458–498 · Geyer, Heinrich: Abt Dr. Dominik Prokop. 59. Abt von Břevnov-Braunau und 1. Abt von Braunau (1926–1969), in: Tausend Jahre Benediktiner in den Klöstern Břevnov, Braunau und Rohr (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner Ordens und seiner Zweige, Ergänzungsband 33). St. Ottilien: EOS, 1993, S. 613–633 · Kinzel, Virgil: Die volksliturgische Bewegung unter den sudetendeutschen Katholiken und Abt Dr. Dominik Prokop OSB, in: Ebda., S. 719–725 · Schwab, Winfried: Prokop, Karl (P. Dominikus OSB), in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL, Bd. XLIII, Nordhausen 2021, Spalten 1195–1202.

Normdaten:

GND: 1045116319

Zitierempfehlung: Prokop, Dominik, in: Biographia Benedictina (Benedictine Biography), Version vom 10.08.2022, URL: http://www.benediktinerlexikon.de/wiki/Prokop,_Dominik

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