Anselm Geisendorfer
Abt des Klosters Michaelsberg in Bamberg 1724–1743
* 1689/90 Bamberg
† 15. Sep. 1773 Klingenzell, Schweiz
Anselm Geisendorfer war ein unehelicher Sohn des Bamberger Domherrn Philipp Ludwig Faust von Stromberg. Sein Vater kaufte ihn 1707 in das Kloster Michaelsberg ein und sorgte so für seine Ausbildung. Geisendorfer wurde 1713 zum Priester geweiht und 1719 in Salzburg zum Dr. jur. promoviert. Im Kloster war er Bibliothekar, Professor, Schatzmeister, Kanzleidirektor, Novizenmeister und Prior und verwaltete jedes dieser Ämter mit großem Erfolg. Auf Drängen des Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn am 8. Mai 1724 trotz des Makels seiner unehelichen Geburt, für den er vom Papst Dispens erhalten hatte, zum Abt gewählt (wenn auch erst im zweiten Wahlgang), wurde er am 21. November 1724 von Bischof Lothar Franz infuliert.
Geisendorfer war gebildet und tüchtig, aber auch streng und herrschsüchtig. Als Abt führte er Verwaltungsreformen durch, erließ eine Flut an Verordnungen und Instruktionen und führte neue Andachten und geistliche Übungen ein. Die Mönche, die ihre Freiheiten bedroht sahen, beschwerten sich bei Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn – Geisendorfers Protektor Lothar Franz von Schönborn war 1729 gestorben – und baten um eine Visitation, die noch 1730 erfolgte, aber keineswegs zugunsten der Mönche ausfiel.
Daneben ging mit dem Wohlwollen des Fürstbischofs, der die barocke Umgestaltung der Bamberger Hügelstadt betrieb, die Bautätigkeit weiter. Die romanischen Seitenchöre der Klosterkirche ließ Abt Anselm abreißen und durch neue, zweigeschossige, vom Tal aus deutlich sichtbare Anbauten ersetzen. Gleichzeitig wurde 1725 der Chorraum der Abteikirche erhöht, wodurch eine kleine Krypta mit dem Grab Bischof Ottos von Bamberg entstand, und anschließend fast die gesamte Innenausstattung der Kirche erneuert. Dass Abt Anselm einen neuen Kirchenboden aus Steinplatten legen und dafür alle metallenen Grabplatten früherer Äbte entfernen ließ, wurde ihm von den Mönchen als „Impietät“ besonders verübelt.
1726 ließ Anselm den Kanzleibau südlich der Kirche errichten, 1727 den Garten anlegen, 1728 die Sepultur zur Heilig-Grab-Kapelle umgestaltet, deren „Totenspiegel“ im Deckenstuck Abt Anselm wohl selbst entworfen hat; gleichzeitig wurde das neue Chorgestühl aufgestellt. 1730 ließ er die Prälatenzimmer neu einrichten, die schmiedeeiserne Chorschranke aufstellen. Dazu kamen kleinere Aufträge für Figuren, Gemälde, Altäre usw. Trotz der enorm hohen Ausgaben (u.a. für das Chorgestühl) gelang es Abt Anselm, das Kloster schuldenfrei zu halten.
Die Differenzen mit dem Konvent eskalierten schließlich durch den von Abt Anselm veranlassten Wiederaufbau der Michelsberger Propstei St. Getreu, wohin er sich 1735 ganz zurückzog, um von dort aus seine Reformbestrebungen durchzusetzen. In Konflikt mit Fürstbischof Friedrich Karl geriet er als er versuchte, wie es auch schon sein Vorgänger Roman Knauer getan hatte, das Kloster Michelsberg als reichsunmittelbar darzustellen, um die Jurisdiktionsrechte des Fürstbischofs abzuschütteln. Auf dem Sakramentsaltar und über den Eingängen zum Chorgestühl ließ er Reichsadler anbringen. Es kam zu Prozessen und Gegenprozessen[1], die Abt Anselm zunehmend belasteten. Nachdem mehrere Mönche das Kloster verlassen hatten, erließ Bischof Friedrich Karl am 5. Juli 1739 wegen der herrschenden Uneinigkeit eine Verordnung, die Abt und Konvent zur Einhaltung der 1732 erlassenen Ordnung verpflichteten. Am 9. Juli beauftragte er Weihbischof von Hahn mit dem Geistlichen Rat Trenner, den Abt wegen der Klage des Konvents zu vernehmen. Die fürstbischöflichen Leibärzte kamen nach einer Untersuchung zum Ergebnis, er sei geistig ermüdet und gemütsverstimmt und rieten dringend „geistige Ruhe“ an.
Statt jedoch den Rat anzunehmen, reiste Abt Anselm im Juni 1740 heimlich nach Augsburg, um seine Angelegenheit beim Kaiser und später bei Papst Benedikt XIV. in Rom weiter zu betreiben, wurde aber angewiesen, Rom zu verlassen und sich in sein Kloster zurückzubegeben. Da der Abtstuhl von Michaelsberg nach der Flucht des Prälaten verwaist war, erließ Bischof Friedrich Karl am 24. September 1740 den ordo diurnus (die Tagesordnung). Nach der Abweisung seiner Klage vor dem Reichshofrat war die Absetzung Geisenhofers rechtskräftig. Da er aber allen Aufforderungen Roms und des Bischofs Widerstand leistete, wurde er am 14. Januar 1743 seines Amtes enthoben und am 4. April 1743 Ludwig Dietz zu seinem Nachfolger gewählt.
Der abgesetzte Prälat fand zunächst eine Bleibe im Kloster St. Ulrich in Augsburg und begab sich dann in die Schweiz, wo er von Kloster zu Kloster zog. Er starb am 15. September 1773 im Alter von 84 Jahren im Kloster Klingenzell.
gge, Nov. 2019
D:
Sac.: 1713; Abbas: el. 8. Mai 1724, ben. 21. Nov. 1724, dep. 14. Jan. 1743
L:
Pfeil, Christoph Graf von: Chorgestühle des 18. Jahrhunderts in Bamberg (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe 8, Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte). Degener, 1992, S. 62–76 · Germania Sacra 3. Folge 12, Das exempte Bistum Bamberg 4, Bamberger Bischöfe 1693–1802, bearbeitet von Dieter J. Weiß, S. 68f., 149f., 422 · Rupprecht, Klaus: Anselm Geisendorfer (1724–1743) als Reformabt. Anmerkungen zu Herrschaft und Verwaltung des Klosters Michaelsberg in der Frühen Neuzeit, in: 1000 Jahre Kloster Michaelsberg Bamberg 1015–2015. Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2015. S. 234 ff. · Dengler-Schreiber, Karin: Geschichte des Klosters und des Bürgerspitals. Aus der Schublade zu „Der Michelsberg in Bamberg“, o.O, o.J., [PDF].
Normdaten:
Vorlage:Page.name:GEISENDORFER, Anselm OSB (1689/90–1773) – Biographia Benedictina