Placidus Tanner
Abt des Benediktinerklosters Engelberg 1851–1866
* 31. März 1797 Arth SZ
† 17. Feb. 1866 Engelberg
Placidus Tanner, Taufname Alois, war ein Sohn des Schreiners und Nachtwächters Martin Tanner und der Verena Marty. Sein jüngerer Bruder Anton Tanner (1807–1893) wurde Professor in Luzern und Stiftspropst zu St. Leodegar ebd.
Aks Kind erlebte Alois Tanner den Bergsturz von Goldau (Schwyz) vom 2. September 1806 mit. Nach dem Besuch der zweiklassigen Lateinschule in Arth, an der er auch Musikunterricht erhielt, kam er an die Klosterschule Engelberg, trat 1815 in das Noviziat ein und legte am 28. Januar 1816 als fr. Placidus die Profess ab. Nach dem Theologiestudium an der Hauslehranstalt wurde er am 3. Oktober 1819 in Luzern zum Priester geweiht. Danach war er als Musiklehrer und Subpräfekt an der Klosterschule eingesetzt. 1820 wurde er zum Archivar und Kapitelsekretär bestellt, 1822 auch zum Bibliothekar. 1826 übernahm er die Leitung der Klosterschule und wurde 1832 Kapellmeister und Küchenmeister.
Am 30. September 1834 kam er als Pfarrer und Ökonom nach Sins im Aargau, wo die Abtei Engelberg seit 1422 das Patronatsrecht und die Kollatur der dortigen Pfarrkirche besaß und zwei Bauernhöfe bewirtschaftete. 1835 erhielt er in Anerkennung seiner Verdienste als Seelsorger die Aufnahme in das Bürgerrecht der Gemeinde Meienberg und am 5. Mai 1836 durch den aargauischen Grossen Rat das Kantonsbürgerrecht. Damit war die Voraussetzung der Bestätigung seiner Wahl zum Pfarrer von Sins durch die Regierung erfüllt, die am 19. September 1836 erfolgte, und am 5. Oktober 1836 wurde er durch den Bezirkshauptmann Weibel offiziell installiert.
Anfangs war P. Placidus noch um ein gutes Verhältnis zu den Behörden bemüht; sogar die Proklamation vom 5. Mai 1835 hatte er wie vorgeschrieben von der Kanzel verlesen[1]. Er war 1838 Mitbegründer der Bezirksschule Sins (gegründet anstelle der 1835 vom Staat aufgehobenen Klosterschule in Muri) und erster Präsident der Bezirksschulpflege. Im Zuge des Aargauer Klosterstreit 1841 verschlechterte sich das Verhältnis zur Aargauer Regierung und dem radikalen Bezirksamtmann Weibel jedoch zunehmend. Als Volksaufwiegler verdächtigt, wurde P. Placidus vor das Bezirksgericht in Muri geladen, das ihm ab er kein Fehlverhalten nachweisen konnte. 1842 bewirkte Weibel für Tanner eine Gehaltskürzung; sein Privatvermögen und das der Statthalterei wurden unter staatliche Verwaltung gestellt. Von Weibel als „Deserteur„ und „Staatsfeind„ angeklagt, erhielt Tanner schließlich ohne weitere Untersuchung am 10. Januar 1849 vom Bezirksgericht Muri den Ausweisungsbefehl und verließ als letzter Engelberger Pfarrherr seit 1633 Sins und den Kanton. Vergeblich hatte Abt Eugen von Büren dagegen protestiert. Auf das Meienburger und Aargauer Bürgerrecht verzichtete Tanner 1858.
Im März 1851 wurde er Pfarrer in Engelberg, aber schon am 27. Mai 1851 zum Abt gewählt und am 9. Juni 1851 benediziert. Mit ihm begann die Modernisierung des Klosters. Großen Wert legte er auf die Klosterdisziplin und eine würdige Liturgie. Besorgt um das Überleben der katholischen Bildungstradition im Rahmen des liberal gewordenen staatlichen Umfeldes (er hatte als Präsident der Bezirksschulkommission in Sins Erfahrungen damit gewonnen), richtete er die Schule ganz neu aus. Er ließ sie zunächst vergrößern und umstrukturieren, 1863 bis 1866 dann ein eigenes Kollegiumsgebäude errichten. Engelberg war damit die erste Schweizer Abtei, die Schule und Internat in einem eigenen Gebäude unterbrachte. Leidenschaftlich an der Klostergeschichte interessiert, behielt er auch als Abt das Amt des Archivars und sammelte systematisch im In- und Ausland alle Engelberger Quellen, die er möglichst vollständig in drei Bänden Collectanea (1400–1615) zusammentrug.
In seine Regierungszeit fällt auch die Gründung des Benediktinerinnenklosters Maria Rickenbach, an der die Abtei Engelberg maßgeblich beteiligt war.
gge, Dez. 2018
- ↑ Sein Mitbruder P. Benedikt Beutler, Pfarrer in Auw, hatte sich aus Gewissensgründen geweigert und war deswegen verhaftet und des Kantons verwiesen worden.
D:
Prof.: 28. Jan. 1816; Sac.: 3. Okt. 1819; Abbas: el. 27. Mai 1851, ben. 9. Juni 1851.
L:
Helvetia Sacra S. 651f. · Hunkeler, Leodegar: Abt Placidus Tanner als Schulmann, in: Titlisgrüße 37, Heft 3/4, Engelberg 1951, S. 50–55 · Heer, Gall: Abt Placidus Tanner und das Stiftsarchiv Engelberg, in: Archivalia et historica. Arbeiten aus dem Gebiet der Geschichte und des Archivwesens. Festschrift für A. Largiader. Zürich 1958, S. 121–148 · Ders.: Zum 100. Todestag von Abt Plazidus Tanner (1797–1866). Titlisgrüsse 52 (1965/66), S. 10–26 und 41–45 · Rohner, Franz: Tanner, Placidus, in: Biographisches Lexikon des Aargaus, 1803–1957 (1958), S. 779–781 · Rohner, Franz: Pater Placidus Tanner und. P. Nikolaus Zelger die letzten Engelberger Pfarrherren in Sins und Auw, in: Unsere Heimat: Jahresschrift der historischen Gesellschaft Freiamt 24 (1950), S. 6–26; 25 (1951); 26 (1952), S. 34–59.
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