Raphael Walzer
4. Erzabt von Beuron 1918–1937
* 27. März 1888 Ravensburg
† 19. Juli 1966 Abtei Neuburg
Der Sohn einer alteingesessenen Handwerkerfamilie wurde am 27. März 1888 in Ravensburg geboren. Im September 1906 trat er in die aufblühende Benediktiner-Erzabtei Beuron ein und erhielt den Klosternamen Raphael. Im Oktober 1908 zum Theologiestudium an die internationale Benediktinerhochschule Sant’Anselmo gesandt, wurde er dort im Juli 1911 zum Dr. phil. und 1914 mit einer Arbeit über den Kirchenbegriff des heiligen Irenäus zum Dr. theol. promoviert. Die Priesterweihe empfing er am 1. September 1913. Danach studierte er Patristik in Münster, bis er am 25. Jan. 1918 – noch nicht 30 Jahre alt – zum vierten Erzabt postuliert wurde.
Der verlorene Erste Weltkrieg führte zu umfassenden Umwälzungen in der internationalen Klosterkongregation, die sich in den vergangenen Jahrzehnten weit über die Grenzen des Deutschen Reiches ausgebreitet hatte. Das Dormitio-Kloster auf dem Berg Sion in Jerusalem wurde aufgegeben, die Mönche in Ägypten interniert. Die Nonnen von St. Gabriel und die deutschen Patres der Abtei Emaus in Prag mussten das Land verlassen, ebenso die deutschen Benediktiner in England (Erdington) und Belgien. Walzers große Aufgabe war es – neben dem äußeren und inneren Ausbau der schnell wachsenden Mutterabtei Beuron – die heimatlos gewordenen Konvente in neuen Klöstern unterzubringen. Es gelang ihm, die ehemaligen Abteien Grüssau in Schlesien, Neresheim und Weingarten mit den Mönchen zu besiedeln und für die Nonnen in Bertholdstein in der Steiermark und in Kellenried bei Weingarten eine neue klösterliche Heimat zu schaffen. Auch der Sion in Jerusalem lebte 1921 wieder auf und wurde 1926 Abtei. Dazu kamen die Neugründungen in Heidelberg (Neuburg) 1926 und Japan 1934 (Tonogaoka) und die Angliederung der Abtei Merkelbeek/Vaals 1927.
Walzers umfassende Aufbauarbeit in Beuron wurde unterbrochen durch die nationalsozialistischen Machthaber. Kontakte mit Eugen Bolz und Edith Stein wiesen ihn in die geistige Opposition und den Widerstand. Seit November 1935 in der Emigration, musste der »politisch unerwünschte« Walzer im November 1937 auf sein Amt verzichten. Die näheren Umstände und die zwiespältige Rolle, die einige Mitpatres und Mitäbte dabei gespielt haben, sind bis heute nicht vollständig geklärt.
Als Geistlicher der französischen Armee führte Walzer von 1943 bis 1946 in Rivet bei Algier das erste Theologenseminar für deutsche Kriegsgefangene. Seit 1944 französischer Staatsbürger, lebte er von 1946 bis 1950 in der französischen Abtei St. Wandrille. Da eine Rückkehr nach Beuron nicht möglich war (dort war seit 1938 Benedikt Baur Erzabt), baute Walzer von 1950 an in Tlemcen, Algerien, eine Benediktinerabtei im islamischen Umfeld auf. 1964 vertrieben ihn die politischen Wirren auch von dort. Er kehrte nach Deutschland in die Abtei Neuburg, seine Lieblingsgründung, zurück, wo er 1966 starb.
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Daten:
Josef; * 27. März 1888 (Ravensburg); ~ 1. April 1888 (Ravensburg); † 19. Juli 1966 (Abtei Neuburg); ⚰ Beuron, Krypta; V.: Peter Walzer, Schreiner; M.: Theresia Kreuzer; G.: 5 Brüder, 3 Schwestern; Vest.: 13. Sep. 1906; Prof.: 27. Dez. 1907; Sac.: 1. Sep. 1913; Abbas: el. 25. Jan. 1918, conf. 3. Feb. 1918, ben. 11. Feb. 1918; res. 19. Nov. 1937.
Bibliographie:
Kaffanke, Jakobus OSB/Köhler, Joachim (Hg.): Mehr nützen als herrschen! Raphael Walzer OSB, Erzabt von Beuron, 1928–1937, (= Beiträge zu Theologie, Kirche und Gesellschaft im 20. Jahrhundert, Bd. 17), Münster: LIT, 2008
Vorlage:Page.name: WALZER, Raphael (Josef) OSB (1888–1966) – Biographia Benedictina